Schöne Zähne aus dem Computer

Die Digitalisierung schreitet heutzutage auch in der Zahnheilkunde und Zahntechnik zunehmend rascher voran. Bis vor einigen Jahren war die Zahntechnik ein Handwerkszweig, der sich sehr hartnäckig der Digitalisierung und Automatisierung widersetzt hat. Die Herstellung von in jedem Fall individuell maßgefertigten Einzelteilen lässt sich eben nicht so einfach rationalisieren, wie eine Serienfertigung. Inzwischen hat aber die allgemeine Entwicklung der Digitalisierung auch in unseren Prozessen aufgrund zahlreicher Vorteile zum Nutzen der Patienten breiten Einzug gehalten. Nahezu jede Art von zahntechnischer Arbeit lässt sich heute am Computer konstruieren und maschinell fertigen, zumindest bis zu einer Vorstufe, die im Anschluss geringerer händischer Nacharbeit bedarf als bei der ausschließlichen manuellen Herstellung.

Exemplarisch sollen die uns aktuell zur Verfügung stehenden Technologien, wie Sie auch in unserer Praxis eingesetzt werden, erläutert werden:

1. Der Scan

Mundscanner, die uns erlauben, die Zähne direkt im Mund dreidimensional zu erfassen, stellen die erste wichtige Schnittstelle zur digitalen Zahnheilkunde und Zahntechnik dar. Solche Intraoralscanner existieren bereits seit vielen Jahren, doch erst die neueste Generation dieser Geräte ist wirklich hochpräzise und schnell genug, um für einen unbeschränkten Einsatz am Patienten mit einer großen Bandbreite von Indikationen und Anwendungsmöglichkeiten praxistauglich angewendet werden zu können. Damit sind die Zeiten vorbei, in denen zuerst Abdrücke genommen und mit Gips ausgegossen wurden und diese Gipsmodelle im Anschluss mit einen Laborscanner gescannt wurden, um schließlich 3D-Daten im Computer zu erhalten. Innerhalb von 2–3 Minuten wird heute direkt am Patienten der berührungslose Scan vom Zahnarzt oder der Behandlungsassistenz erstellt und sofort in 3D in voller Farbe (incl. Farbanalyse) und mit allen Details im Mikrometerbereich verfügbar (S. Abb.).

Intraoralscanner Sirona Primescan

Der von uns verwendete Sirona Primescan ist der aktuell fortschrittlichste und genaueste Intraoralscanner auf dem Markt.

Diese Scans haben sich bei uns inzwischen hervorragend zur routinemäßigen Beratung und Aufklärung unserer Patienten bewährt, da sich damit Zähne und Zahnfleisch am Bildschirm stark vergrößert in realistischer Darstellung von allen Seiten betrachten lassen. Karies, Zahnhalsdefekte, undichte Füllungen, der Zustand von Zahnersatz, Zahnfleischprobleme, ästhetische Beeinträchtigungen, Zahnkontakte und noch viel mehr könnend den Patienten eindrücklich vor Augen geführt und erklärt werden.
Gleichzeitig entspricht der Scan einem digitalen Präzisionsabdruck, der im Zahnlabor direkt weiterbearbeitet werden kann. Beispielsweise, um Situationsmodelle, Aufbissschienen, Provisorien, Interimsersatz, Implantat-Bohrschablonen oder ähnliches herzustellen.
Schließlich können solche digitalen Abdrücke der Zähne mit geringem Aufwand dauerhaft archiviert werden. Im Gegensatz zu Gipsmodellen, die immer wieder auch mal beschädigt werden können und wegen des Platzbedarfes üblicherweise regelmäßig entsorgt werden, können diese 3D Scans im Grunde unbegrenzt gespeichert und versendet werden. Eigentlich empfiehlt es sich, für jeden Patienten, sich mindestens einmal im Leben möglichst früh die eigenen gesunden Zähne scannen zu lassen und die Daten aufzubewahren, um im Falle eines späteren Behandlungsbedarfs über die Ursprungssituation verfügen zu können.

Auch die Abformungen von präparierten Zähnen werden mit dem gleichen Gerät erfasst und an das Zahnlabor übermittelt. In bestimmten Fällen lassen sich so Inlays, Teilkronen oder Kronen an einem Tag herstellen.

2. CAD – Computer Aided Design

Auf der Grundlage von digitalen Zahnmodellen ist es natürlich sinnvoll, direkt digital weiter zu arbeiten. Früher wurden neue Zähne sehr zeitaufwändig per Hand aus Wachs modelliert. Jeder Zahn für sich eine kleine Skulptur. Für umfangreiche Arbeiten benötigt dieser Prozess Stunden und manchmal sogar Tage. Heute stehen uns spezialisierte 3D Programme zur Verfügung, die den Zahntechnikern erlauben, rationell und schnell funktionelle schöne Zähne zu gestalten.

Zahnmodell in der Exocad Software

Wir verwenden in unserem Labor exocad Software. Exocad ist einer der Marktführer in diesem Bereich und bietet umfangreichste Funktionen.

Die Grundlage bei der Formgebung der neuen Zähne sind dabei sogenannte Zahnbibliotheken natürlicher Zähne. In einer Design-Software lassen sich vielfältigste Vorlagen sammeln. Diese Zahndatenbank unterstützt den Zahntechniker im Sinne eines Expertensystems, da kein noch so kompetenter und erfahrener Zahntechniker in der Lage ist, die gesamte Vielfalt natürlicher Zähne zu beherrschen. Insbesondere im Bereich der Frontzahnästhetik, wo die individuellen Patientenvorlieben berücksichtigt werden müssen, helfen uns diese Bibliothekszähne. Wir arbeiten dabei hauptsächlich mit unserer eigenen Zahnsammlung. 2005 erschien mein zweibändiges Fachbuch „Anteriores – natürlich schöne Frontzähne“. Einer der Bände entspricht einem Zahnkatalog mit der fotografischen Sammlung von 42 perfekten natürlichen Gebissen. Zu diesen schönen gesunden Zähnen existieren auch die entsprechenden Kunstharzmodelle und 3D Modelle. Die am häufigsten verwendeten und am besten für Zahnersatz geeigneten Formen finden inzwischen auch Verwendung in einer Reihe von anderen dentalen 3D Design Programmen und Smile-Design-Softwares. Die Bücher und dazugehörigen Modelle finden sich in sehr vielen Dentallaboren. Damit stellt mein Anteriores System heute eines der führendsten Frontzahndatenbanken in der Zahntechnik dar (anteriores.de).
Natürliche Zahnformen bieten den großen Vorteil, dass die Zähne nicht „erfunden“ oder nachempfunden werden müssen, sondern die Anatomie und Struktur der Zähne in allen Einzelheiten der Natur entspricht, und die Zähne mit ihren Ähnlichkeiten untereinander auch perfekt harmonieren, da sie aus ein und demselben Gebiss stammen. Die Zähne können, ohne dass die natürliche Form verloren geht, in ihrer Größe in der Software immer dem jeweiligen Fall angepasst werden.

Frontzahndesign mit der Form Anteriores F1

Beispiel eines Frontzahndesigns für sechs Veneers mit der Form Anteriores F1.

Einen weiteren sehr wichtiger Einsatzbereich von Computersoftware stellt die Zahnstellungskorrektur mittels transparenter Schienen dar. Zur Herstellung dieser sog. Aligner oder Clear Aligner kommen wiederum spezialisierte Programme zum Einsatz, die eine rein digitale Vermessung, Analyse und Planung der Zahnkorrekturen einschließlich der schrittweisen Umstellung der Zähne ermöglichen. Für jeden Behandlungsschritt wird ein eigenes 3D Modell generiert, welches dann mit einem 3D Drucker gedruckt werden kann, um als Form für eine im Tiefziehverfahren hergestellte Korrekturschiene zu dienen.

3. 3D-Druck

Die aktuellste Entwicklung stellt der 3D-Druck in unserem Bereich dar. In der Zahntechnik werden sehr hohe Anforderungen an die Präzision gestellt. Dabei müssen Abdrücke, Modelle und zahntechnische Arbeiten nicht nur sehr passgenau sein (kleiner Spalt), sondern auch Verzerrungen oder Verzüge über das gesamte Modell hinweg müssen minimal sein. Das gilt natürlich für alle Komponenten der gesamten Prozesskette vom Scanner bis zum Schleifgerät oder eben auch dem 3D-Drucker. 3D-Drucker mit der entsprechend notwendigen Genauigkeit sind erst in letzter Zeit auch für Zahnlabore und Zahnarztpraxen erschwinglich geworden. Damit stehen uns heute eine Vielzahl weiterer spannender Möglichkeiten der digitalen Fertigung zur Verfügung.
Mittels unseres 3D Druckers erstellen wir alle Arten von Modellen, wie z.B. Situationsmodelle, Planungsmodelle, Arbeitsmodelle, Kontrollmodelle, Modelle für Aligner, Modelle von digitalen Wax-Ups (s. Abb.) u.v.a.m. Aber auch laborgefertigte Provisorien, Implantatschablonen, Ausbissschienen, Vorlagen zum Pressen von Keramik, Prothesengerüste oder Prothesen können heute auf diese Weise im schichtweise additiven Verfahren produziert werden.

3D Druck Zahn Modell

Das 3D-gedruckte Modell zu dem Fall aus der vorherigen Abbildung.

Da in diesem Bereich eine rasante Entwicklung zu beobachten ist, werden die Anwendungsmöglichkeiten in Zukunft sicher weiter zunehmen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wesentliche Prozesse in der Zahntechnik heute in stabilen digitalen Prozessen, die eine Reihe von Vorteilen bieten, abgebildet werden können und daher auch täglich Anwendung finden. Nicht zuletzt die schnelle und eindeutige Kommunikation und Übertragung der Daten zum Labor oder zu anderen Fachzahnärzten hilft uns sehr.
Andere Abläufe sind noch nicht vollständig integriert oder nur ansatzweise in Insellösungen vorhanden, so z.B. funktionstherapeutische Aspekte, bestimmte Analyse und Planungsfunktionen, und verschiedene Indikationen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir in der Lage sein werden, jeden Patientenfall in all seinen medizinischen, funktionellen und ästhetischen Aspekten als virtuellen digitalen Fall bearbeiten zu können. Wir sind in unserer Praxis bestrebt, diese neuen Verfahre immer dort, wo es sinnvoll und von Vorteil ist, anzuwenden, ohne dabei die bewährte handwerkliche Qualität zu verlassen oder unerprobte Methoden einzusetzen.

Dr. Jan Hajtó