Full Wrap Veneer, Full Veneer, 360° Veneer, Vollkeramische Teilkrone – Was ist das?

Diese Begriffe werden in der internationalen Literatur vielfältig und synonym gebraucht [1 – 9], um die Zähne vollständig bzw. nahezu vollständig umschließende Restaurationen aus Komposit oder Keramik zu beschreiben, die jedoch keine klassischen Kronen darstellen. Worin liegen also die Unterschiede?

1.

Bei Vollkronen wird immer eine retentive Präparationsform angestrebt. Retention bedeutet geometrischen Halt. Dieser wird erreicht, indem durch eine dreidimensionale Widerstandsform ein Herunterrotieren der Krone vom Stumpf verhindert wird. Das Prinzip wird hier ausführlich erklärt: Retention und Widerstandsform bei zementierten Kronen und Brücken (PDF).

Diese Retentionsform geht immer auf Kosten der Substanzschonung [10]. Bei Vollkronen wird eine Wandstärke von 1,0 – 1,5 mm angestrebt. Bei Full Veneers wird dagegen keine Retentionsform präpariert. Das Ziel ist vielmehr eine möglichst den Zahnschmelz erhaltende Präparation. Dadurch wird der Zahn nicht zu einem Stumpf oder Stift reduziert, sondern behält seine ursprüngliche Gestalt in reduzierter und vereinfachter, geglätteter Form bei. Ebenso wie bei Teilkronen wird die ursprüngliche Form verkleinert und abgerundet. Der Begriff „vollkeramische Teilkrone“ ist demnach dadurch gerechtfertigt, da der Zahn nicht so invasiv und stark beschliffen wird, wie es für eine Vollkrone erforderlich wäre, sondern nur wesentlich oberflächlicher. Diese Präparationsform ist geometrisch handwerklich viel anspruchsvoller umzusetzen, als eine simple Kronenpräparation, die keine Rücksicht auf den Aufbau des Zahnes nimmt, zumal gleichzeitig immer wieder visuell durch Trocknen geprüft werden muss, ob die Präparation noch im Schmelz liegt. Die höhere Bewertung einer Teilkronenpräparation in der privaten Gebührenordnung gegenüber einer Standard-Kronenpräparation berücksichtigt zu Recht genau diese erhöhte technische Erfordernis.

2.

Kronen werden üblicherweise mit herkömmlichen Zementen befestigt, da die erhöhte Materialstärke oder ein Gerüst aus Metall oder Strukturkeramik für die notwendige Stabilität und Opazität der Restauration sorgt, und der retentive Stumpf einen Retentionsverlust verhindert.

360° Veneers bzw. vollkeramische Teilkronen erfordern dagegen zwingend eine aufwändige adhäsive Befestigung („Verkleben“). Zum einen, da sie kein stabilisierendes Kronengerüst bei gleichzeitig dünnen Wandstärken besitzen, zum anderen wegen der fehlenden retentiven Form des Stumpfes. Und schließlich, da ein weißer Zement durch die transluzente Keramik sichtbar durchschimmern würde. Die Herstellervorgaben für die Mindeststärke von z.B. Lithiumdisilikatkeramik liegt daher für okklusale Veneers auch bei 1,0 mm, für Kronen dagegen bei 1,5 mm [11].

3.

Bei Kronen muss keine Rücksicht darauf genommen werden, wie tief die Präparationsgrenze (Abschlussrand der Krone) unter dem Zahnfleischsaum zum Liegen kommt. Ein Kronenrand kann auch komplett subgingival gelegen sein. Dies ist sogar die Regel. Bei Full Wrap Veneers liegt die Präprationsgrenze nach Möglichkeit immer im Zahnschmelz, da dieser die beste Voraussetzung für eine dauerhafte adhäsive Befestigung bietet. Da sich der Zahnschmelz je nach Patient auch mehr oder weniger unter das Zahnfleisch erstrecken kann, bedeutet diese Vorgabe jedoch nicht automatisch, dass die Ränder von Teilkronen immer und an jeder Stelle supragingival liegen müssen. Im ästhetisch sichtbaren Bereich oder beim Einschluss von Zahnhalsdefekten werden die Ränder von Teilkronen regelmäßig bis zum Zahnfleischrand ausgedehnt. Das bedeutet folglich auch, dass bei einer Teilkrone nicht zwingend unbedeckte Zahnanteile sichtbar sein müssen. Das liegt allein schon darin begründet, da es zwei Definitionen der natürlichen Zahnkrone gibt:

a) Die klinische Krone. Das ist der Anteil des Zahnes, der aus dem Zahnfleisch ragt und im Mund sichtbar ist.

b) Die anatomische Krone. Das ist der Anteil des Zahnes der von Zahnschmelz bedeckt ist.

Insbesondere im Falle eines unvollständigen Zahndurchbruchs („late eruption“) befinden sich beträchtliche Anteile der anatomischen Krone noch unterhalb des Zahnfleisches. Eine Teilkrone an so einem Zahn bedeckt möglicherweise nur die Hälfte der anatomischen Krone, endet aber überall am Zahnfleischrand. Der Parameter „unbedeckter Zahnanteil sichtbar“ stellt demnach kein Kriterium für die Abgrenzung einer klassischen Krone von einem 360° Veneer dar, das ja – wie der Name sagt – den Zahn rundum komplett umschließt.

Dr. Jan Hajtó

Literatur:

  1. Clark DJ. : Composite Versus Porcelain, Part 2. The 360 degrees Composite Resin Veneer. Dent Today. 2016 Apr;35(4):102, 104-5.
  2. Guess PC, Selz CF, Voulgarakis A, Stampf S, Stappert CF.: Prospective clinical study of press-ceramic overlap and full veneer restorations: 7-year results. Int J Prosthodont. 2014 Jul-Aug;27(4):355-8.
  3. Ali SA, Manoharan PS, Shekhawat KS, Deb S, Chidambaram S, Konchada J, Venugopal N, Vadivel H.: Influence of Full Veneer Restoration on Fracture Resistance of Three Different Core Materials: An Invitro Study. J Clin Diagn Res. 2015 Sep;9(9):ZC12-5.
  4. Stappert CF, Stathopoulou N, Gerds T, Strub JR.: Survival rate and fracture strength of maxillary incisors, restored with different kinds of full veneers. J Oral Rehabil. 2005 Apr;32(4):266-72.
  5. Crispin BJ.: The full veneer as an alternative to the full crown. Curr Opin Cosmet Dent. 1997;4:6-10.
  6. Rouse JS.: Full veneer versus traditional veneer preparation: a discussion of interproximal extension. J Prosthet Dent. 1997 Dec;78(6):545-9. Review.
  7. Crispin BJ.: Full veneers: the functional and esthetic application of bonded ceramics. Compendium. 1994 Mar;15(3):284, 286, 288 passim.
  8. Stappert CF, Derks J, Gerds T, Strub JR.: [Marginal accuracy of pressed ceramic full veneers with different preparation techniques before and after simulated jaw movement]. Schweiz Monatsschr Zahnmed. 2007;117(5):474-82. German.
  9. Hajtó, J: Veneers. Buchkapitel in Adhäsive Zahneilkunde. Hrsg. Roland Frankenberger, Deutscher Ärzte-Verlag 2012.
  10. Edelhoff D, Sorensen JA.: Tooth structure removal associated with various preparation designs for anterior teeth. J Prosthet Dent. 2002 May;87(5):503-9.
  11.  https://www.ivoclarvivadent.de/mam/celum/celum_assets/9196264980510_ips-emax-press9ips_emax_clinical_guide_de.pdf?2