Praxismarketing und Ärztebewertungsportale

„Früher war alles besser“. Im Falle der Werbesituation für Ärzte ist man in der Tat versucht dem zuzustimmen. Denn die Zeiten verändern sich nicht immer zum Besseren. Vor noch wenigen Jahren existierte ein klares Werbeverbot für Ärzte und Zahnärzte. Zahnärzte erbringen eine „Dienstleistung höherer Güte“. Das bedeutet, dass ein Mediziner auch eine ethische, moralische und gesellschaftliche Verantwortung trägt.

Medizin ist demnach keine Ware, die bepreist, beworben, über die verhandelt oder die wie ein Produkt bewertet wird.

Patienten sind keine Kunden, die etwas einfordern, umtauschen, oder bei Unzufriedenheit nicht bezahlen können.

Zahnärzte sind keine Verkäufer, die bestimmte „Leistungen“ oder Produkte anpreisen, die Ihre Arbeit merkantilen Interessen unterordnen oder kulanterweise etwas umtauschen können.

Aus einem Recht auf Information entstand nahezu uneingeschränktes Marketing

Leider hat sich diese Situation in den letzten Jahren inzwischen stark verzerrt. Aus einem ursprünglich eingeführten Recht auf Information ist ein nahezu unbeschränktes Marketing entstanden und diverse Online Angebote, wie aus anderen Branchen bekannt, sind heute allgegenwärtig. Dies sind z.B. Auktionsportale, bei denen Heil- und Kostenpläne eingereicht werden können, um das günstigste Gegenangebote zu ermitteln. Es wird hier um Leistungen geschachert, deren Art der Erbringung, geschweige denn deren Qualität, weder bekannt ist, noch überprüft werden kann.

Ärztebewertungsportale erwecken falsche Eindrücke

Am auffälligsten sind allerdings die viel diskutierten Ärztebewertungsportale. Vom Ansatz her ist es ein legitimer Anspruch, die Meinung von Patienten zu bestimmten Ärzten oder Zahnärzten der interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Eines der Hauptprobleme besteht darin, dass nicht nur eine Suche nach dem Namen des Arztes möglich ist, so dass dann lediglich dessen Bewertungen sichtbar wären, sondern auch eine Suche nach Ort. Eine solche Suche z.B. nach „Zahnarzt München“ ergibt eine Liste, die wie eine Rangliste sortiert ist. Es wird dadurch der falsche Eindruck erweckt, es handle sich um eine Liste der „besten“ Zahnärzte. Das Schulnotensystem fördert diesen falschen Eindruck massiv. Der Rang wird aus verschiedenen Faktoren errechnet, wobei allerdings die Anzahl der Bewertungen und die Durchschnittsnote den größten Effekt haben. Allein dies ist schon widersprüchlich, denn Ein Arzt, der sich für seine Patienten viel Zeit nimmt und entsprechend weniger Patienten behandelt, erhält natürlich insgesamt weniger Bewertungen als eine „Massenpraxis“.

Da Patienten bekanntermaßen (weil im Suchverhalten von Google so gewöhnt) auf diese Art und Weise suchen und dann auch vor allem auf der ersten Trefferseite weiterklicken, versuchen viele Zahnärzte, möglichst viele nur gute Bewertungen zu erhalten (z.B. indem sie nicht jeden Patenten bitten, eine Bewertung abzugeben; gekaufte Bewertungen sollen an dieser Stelle nicht unterstellt werden), da die Listung ansonsten irrelevant wird. Da Zahnärzte für Accounts mit Zusatzfunktionen wie Profilbilder jährliche Gebühren zahlen, sind sie gleichzeitig Kunden beim Portal und das Portal somit in einem Interessenskonflikt im Falle einer Negativbewertung. Negativbewertung sind auffällig selten oder werden sehr häufig nach einer gewissen Zeit und entsprechenden juristischen Anstrengungen seitens des betroffenen Zahnarztes wieder gelöscht. Das gesamte Notenbild ist daher massiv verzerrt. Vom schlechtesten zum besten Arzt / Zahnarzt muss nach gesundem Menschenverstand eine Normalverteilung vorliegen, wie bei allen statistisch gleichmäßig verteilten Daten. Bei Deutschlands größtem Ärztebewertungsportal sind aber von derzeit 61.490 Zahnärzten in Deutschland 40.605 positiv bewertet und nur 2.020 Negativ – 18.865 sind nicht bewertet. Dies ist ein völlig unrealistisches Ergebnis. Es ist zwar aus Umfragen zur Patientenzufriedenheit der interessante Effekt bekannt, dass die allermeisten Patienten mit ihrem eigenen Zahnarzt aktuell zufrieden sind, aber in diesem Fall stellt sich die Frage nach dem generellen Aussagewert solcher Bewertungen.

Es gibt einen Wettbewerb um die vordersten Plätze

Etliche der Kollegen, die in der „Rangliste“ oben stehen, sind in der Zahnärzteschaft als gute oder sehr gute Zahnärzte bekannt. Aber eben nicht alle. Und einige wenige sind sogar schon mit wenig ruhmreichen Arbeiten aufgefallen.

München ist ein mit Zahnärzten auf den Bundesdurchschnitt bezogen trotz des starken Zuzugs zahnmedizinisch stark überversorgtes Gebiet. Es gibt nicht nur zu viele, sondern auch viele wirklich gute Zahnärzte.

Deswegen freut sich jeder Zahnarzt über jeden netten und guten Neupatienten. In Zeiten des freien Marketings genügt es leider nicht mehr, einfach nur selbst gut zu sein, denn wenn alle anderen immer lauter trommeln, dann wird man möglicherweise irgendwann selbst nicht mehr wahrgenommen.

Wir selbst in unserer Praxis haben zum Ziel, exzellente Zahnheilkunde anzubieten und dies klar und sachlich zu kommunizieren.

Dr. Jan Hajtó